Es ist passiert. Ich habe mich getraut. Auf mein erstes Barcamp.
Schon oft hatte ich überlegt, doch stets Gründe gefunden, dann doch nicht auf so ein Barcamp zu gehen. Keine Zeit, zu weit weg – wie das eben manchmal so ist.
Nachdem ich im Dezember an der Universität St. Gallen als Social Media Officer angefangen habe, also jetzt ganz offiziell ein Social-Media-Mensch bin, gab es keine guten Ausreden mehr, als Steffi vom Barcamp München erzählte.
#bcmuc
Da war ich dann also, Mitte Januar, in einer Kneipe in München auf dem Pre-Camp-Get-Together und kannte niemanden außer Romy. Sie stellte mich einigen Leuten vor – und auf einmal war ich mittendrin in spannenden Unterhaltungen.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Überrascht war ich dennoch. Ich erinnere mich, dass mein erster Besuch auf der re:publica im letzten Jahr sich ganz genauso anfühlte – so wunderbar inspirierend und erfrischend. Die Sessions, die ich auf dem #bcmuc besucht habe, waren alle spannend und lehrreich. Mal unterhaltsam, mal tiefgründig. Immer mit einem Gedanken, einer Idee, die ich mitnehmen konnte.
Ich habe schnell gemerkt, dass mir diese frische Social-Media-Luft inzwischen sehr gefehlt hat, weil ich hier in der Schweiz (noch) keinen regelmäßigen Austausch mit Gleichgesinnten habe. Während ich hier also größteils in meinen eigenen Gedanken schmore, liefert so ein Barcamp einen grandiosen Blick über den Tellerrand hinaus. Zu wissen, dass es Menschen mit ganz ähnlichen Gedanken und Ideen gibt, ist befreiend.
Auf meinem ersten Barcamp habe ich also gleich das zweite gebucht – schon einen Monat später in Nürnberg.
#bcnue4
Von dort kam ich am Montag gerade zurück, als ich diese Zeilen geschrieben habe. Und was soll ich sagen: Ich frage mich, wie ich jemals ohne so ein Barcamp leben konnte.
Ob es jetzt um Enterprise 2.0 ging, den Arabischen Frühlung, die Benutzung von Yahoo! Pipes, das SocialTV-Projekt oder die großen Fragen von Netzpolitik und Demokratie bis zur Verantwortung der vermeintlichen „Netzgemeinde“ – hier gibt es einfach alles: Praxisbeispiele, Best und Worst Cases, Erfahrungsaustausch, spannende politische und philosophische Diskussionen. Da passiert etwas. Und da ist etwas, das alle Teilnehmer eint. (So fühlt es sich jedenfalls an.)
Nein, ich rede jetzt nicht von gemeinsamen politischen Interessen. Allein die Vorstellungsrunden beweisen: Selbst ein Barcamp ist meilenweit davon entfernt, eine homogene Masse zu sein. Hier sind Meinungen, Ansichten, Philosophien, Lebenswege genau so vielfältig wie im Fußballstadion. Nur eint uns nicht der Fußball, sondern das Social Web. (Deshalb würde ja auch kein Mensch auf die Idee kommen, Fußball-Fans im Stadion repräsentierten die gesamte Gesellschaft.)Und dann gibt es da diese Stimmung. Vielleicht ist auch das wie beim Fußball, wo die Fans spüren, ob es jetzt eher gut oder schlecht um ihr Team steht. Denn, wie es scheint, unabhängig voneinander, werden hier Fragen diskutiert, die viele zu bewegen scheinen.
Es geht um den Austausch – in den Sessions, aber auch in den Gesprächen zwischendrin – zu den Fragen, die uns gerade bewegen. Da wird dann auch mal hitzig debattiert, weil es um wichtige Fragen und, wie mir scheint, um unsere Zukunft geht – und die Frage, in welcher der vielen möglichen Welten wir leben wollen. Warum das alles so toll ist Es ist ein Gefühl. Dass es da Menschen gibt, die eine Ahnung haben, wovon sie reden. Dass es da Menschen gibt, die meine eigenen Ansichten teilen. Oder eben auch nicht. Dass es da Menschen gibt, die eine Leidenschaft haben und die für diese Leidenschaft leben. Dass es da Menschen gibt, die ihre eigene Meinung und ihr Wissen nicht für sich behalten, um selbst möglichst viel davon zu profitieren, sondern die ihr Wissen teilen, weil sie ahnen, dass das ganze eben kein Nullsummenspiel ist, sondern dass es hier tatsächlich das Potenzial gibt, etwas zu verändern. Zum Besseren. Ganz davon abgesehen, waren bisher fast alle Barcamp-Teilnehmer auch noch ziemlich cool und sehr sympathisch, so dass es ein leichtes ist, ins Gespräch zu kommen (wenn man will). Nach meinem zweiten Barcamp frage ich mich, wie ich jemals ohne leben konnte, bin gleichzeitig aber so froh, über die Bekanntschaften, die ich bereits machen durfte, und über die Impulse, die mich entweder in meinen Ansichten bestärkt haben (kurzfristig gut fürs Ego) oder die meine Ansichten infrage stellen, die mich herausfordern (langfristig gut für mich). Und die Bestätigung, dass das, was ich tue, irgendwie einen Sinn hat. Dass ich nicht auf dem Holzpfad bin. Und dass ich nicht allein auf diesem Weg bin. Also sind die nächsten Barcamps gebucht, hübsch im Monatstakt, damit genug Zeit zum Reflektieren bleibt. Wir sehen uns also (soweit es mein Chef erlaubt) – auf dem #bcruhr5, auf dem #fbcamp, auf der #rp12 (gut, kein Barcamp, aber trotzdem so ähnlich), auf dem #bcbs12, auf dem #bcs5, …